Montag, 31. Mai 2010

Wiedersehen in der Ukraine

Markus bringt mich am Montag direkt auf den Flughafen. Der Hauch der neuesten Technik schlägt mir auf dem Airport München entgegen in der Gestalt von inzwischen vollautomatischen Check-in Schaltern für Lufthansa Flüge. Die geschätzten Fluggäste dürfen ab sofort selbst Hand anlegen, diese langen Papierstreifen mit den Flugdaten an den Griffen ihrer Koffer befestigen und dann dem geliebten Gepäck wehmütig den Schubs geben, der es in den Tiefen der Flughafen-Logistik verschwinden lässt - auf ein gutes Wiedersehen im Baggage Claim am Zielflughafen. Der Computer erkennt meinen Pass, kann jedoch mit meinem Reiseziel nichts anfangen. Ob Lemberg auf Deutsch, L’viv nach der ukrainischen Aussprache, L’wow der russischen Schreibweise nachempfunden - der Computer versteht die Eingabe nicht. Muss ich zunächst auf kyrillische Buchstaben umschalten? Eine Dame in Lufthansa-Uniform sieht meine Not und eilt mir zur Hilfe. Zu meiner Genugtuung erlebe ich, dass auch ihr die Eingabe meiner Flugdaten nicht gelingt. Was haben Computer mit Bananen gemeinsam? Sie reifen beim Kunden. Irgendwo weit hinten gibt es noch einige herkömmliche Check-in Schalter. Zu meiner Freude sieht der freundliche Herr hinter dem Schalter, was dem Computer ebenfalls entgangen wäre: meine Körpergröße. Mit einem der geräumigen Sitzplätze am Notausgang auf der Bordkarte mache ich mich auf den Weg. Ob in Lemberg noch die Blech-Schilder aufgehängt werden um den nächsten Flug anzuzeigen?
In Lemberg angekommen funktioniert die Passabfertigung reibungslos. Während der Zöllner meinen Pass abstempelt, fragt er mich noch beiläufig, ob das meine erste Reise nach L'viv wäre. Ich sage kurzerhand “Ja”, was nicht ganz der Wahrheit entspricht.
Vor mehr als zwanzig Jahren hatte ich Lemberg (“L’wow” war auf der Landkarte zu lesen) zum ersten mal auf der Durchreise gestreift. Damals lag mein abgewetzter Jägerrucksack hinter dem Beifahrersitz eines polnischen Fernlastzugs. Dem Fahrer war es nach lautstarker Diskussion gelungen, die sowjetischen Grenzposten davon zu überzeugen, dass es rechtens ist, wenn sie mir den Einreisestempel in meinen DDR-Personalausweis drücken. Abenteuer war mein Ziel in dem Land, das für uns als der Hort des Unglaubens und der Ursprung der latenten Christenverfolgung in meiner Heimat galt. Selbst in den mutigsten Träumen hätte ich mir damals nicht vorzustellen gewagt, dass ich zwei Jahrzehnte später erneut in Lemberg ankommen würde und zwar mit einem Lufthansa Flug aus München und mit einem Pass der Bundesrepublik in der Hand. Vollständig utopisch wäre die Vorstellung gewesen, dass mein Reiseziel diesmal eine theologische Weiterbildung an einem lutherischen Seminar in Ternopil sein würde. Wo sind sie geblieben, die die Welt mit einer wissenschaftlichen Weltanschauung beglücken wollten? Überdeutlich wird sichtbar, wovon der 2. Psalm singt: “Die Könige der Erde lehnen sich auf, und die Herren halten Rat miteinander wider den HERRN und seinen Gesalbten. Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer.” Gott hat eingegriffen und in seiner Gnade noch einmal einiges zum besseren gewendet.

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